Das Zusammenspiel des blumigen Geruchs und der herben Geschmacksnote machen Lavendelblüten interessant für experimentierfreudige Köche und Köchinnen. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Christin Klose/dpa-tmn)

Mit Lavendel assoziieren viele Seife, Duftkissen oder einen Urlaub in der Provence. Für den Kulinarikforscher und Kochbuchautor Heiko Antoniewicz dagegen sind leicht angedrücktes Lavendelholz und getrocknete Blüten im Duftreis eine Offenbarung. Das Zusammenspiel des blumigen Geruchs und der herben Geschmacksnote mache den Lippenblütler interessant für experimentierfreudige Köche und Köchinnen.

Frische und Schärfe

Anders als Thymian, Rosmarin, Salbei und Basilikum führt Lavendel als Küchenkraut in deutschen Küchen oft ein Nischendasein. Dabei seien getrocknete Lavendelblüten neben Salbei, Thymian, Rosmarin, Oregano und Bohnenkraut meist in der beliebten Gewürzmischung «Herbes de Provence» (Kräuter der Provence), erklärt die Kochbuchautorin Aurélie Bastian, die den Blog «Französisch kochen» betreibt.

Lavendel bringt für Bastian Frische und auch Schärfe in die Speisen. «Überall, wo man Thymian, Rosmarin oder auch Ingwer verwendet, kann man auch Lavendel einsetzen», sagt sie. «Wenn wir zu Hause ein Steak braten, dann würze ich mit viel Pfeffer und zu gleichen Anteilen mit Rosmarin, Thymian und Lavendel sowie Olivenöl. Es bringt eine leichte Schärfe, gibt aber den Röstaromen auch eine frische Note.»

Was für die Französin auch sehr gut schmeckt, sind Olivenöl, Zitrone und wenige Lavendelblüten auf weißem Fisch. Maximal 4-5 Blüten pro Portion, empfiehlt sie.

Lavendelteile mitkochen wird bittere Sache

Heiko Antoniewicz aus Werne im Münsterland verwendet alles, von frischen und getrockneten Lavendelblüten über frisches Lavendelgrün und trockenem Holz zum Aromatisieren. Der frühere Spitzenkoch und jetzige Genussforscher begeistert sich für die Vielfalt, die ihm Lavendel in der Küche bietet.

«Sowohl Blüten als auch Grün haben ein ausgeprägtes Geschmacksprofil. Die Note bei jungem Grün ist grasig», beschreibt er. Das Aroma der Blüten dagegen sei «duftig, blumig, floral.» Wenn man beides mitkocht, sei die Note fast bitter, warnt Antoniewicz. Deshalb verwendet er die Blüten entweder frisch oder getrocknet.

Blüten und Grün für Salat

«Frische Lavendelblüten kann man ohne Probleme über den Salat streuen, zum Beispiel über Tomatensalat mit Ziegenkäse. Oder man glaciert den Ziegenkäse mit Lavendelhonig», empfiehlt der Experte. Ein Weißweinessig setzt etwas Säure dagegen. «Er sollte mild sein, sonst ist die Säure zu dominant», rät er.

Mit Lavendelgrün, also jungen Spitzen, aromatisiert Antoniewicz ein Sorbet aus Charentais-Melone. Oder er gibt als i-Tüpfelchen das Grün und Rosenblätter über einen grünen Salat mit leichter Bitternote wie etwa Endiviensalat.

Für den Melonensalat mit Feta, getrockneten Tomaten, Lavendel und Pistazien aus seinem Kochbuch «Aromen» hackt Antoniewicz Blüten und Blätter klein. Beides mit Olivenöl, weißem Balsamicoessig, Honig, Zitronensaft und -schale sowie Salz und Cayennepfeffer zu einer Vinaigrette verrühren und mindestens 30 Minuten ziehen lassen. Für den Autor runden «die leicht herben, würzigen Lavendelblätter und ihre süßlichen Blüten die Geschmackskomposition» ab.

Lavendelholz zum Duftreis

Lavendelholz häckselt er klein und verwendet es zum Räuchern. Oder er drückt es ähnlich wie Zitronengras mit dem Messerrücken an und legt es in Duftreis. «Das bringt eine aromatische Note, die an Rosmarin erinnert. Wenn man dann noch etwas getrocknete Lavendelblüten zum Reis gibt, ist das eine Offenbarung», schwärmt der Genussexperte.

Ein Hauch von Urlaub ist es, einer Ratatouille zum Schluss etwas frisch geschnittenes Lavendelgrün beizufügen. Für eine Bouillabaisse kann sich Antoniewicz statt der klassischen gelbroten Soße Rouille oder Aioli auch eine Lavendel-Mayonnaise vorstellen. «Man kann dafür Blüten verwenden oder auch das Grasige des Grüns», sagt er. Lavendel vertrage sich sehr gut mit Knoblauch. «Es maskiert die aggressive Schärfe, die Knoblauch manchmal hat.»

Und noch ein Experten-Tipp für das Aromenspiel beim Kochen: Bis 50 Grad Celsius bleibt der frische Duft erhalten. Bei 50 bis 100 Grad sind es die Kräuternoten. Ab 100 Grad werden die Bitternoten betont.

Lavendel statt Vanille

Wie Vanille sei Lavendel in der Patisserie ein Geschmacksträger, der eine bestimmte Note bringt, sagt Aurélie Bastian: «Bei allem, wo Vanille verwendet wird, kann sie 1:1 durch Lavendel ersetzt werden.» Sie kann sich die Blüten gut bei einer Tarte mit Beerenfrüchten wie Erdbeeren oder Himbeeren vorstellen.

Die Französin bereitet auch eine Pfirsichsuppe mit Rosen und Lavendelblüten zu oder eine Crème brûlée. Dazu erhitzt sie Sahne und Milch mit den Blüten, lässt es aber nicht kochen. Im Sommer reicht sie zum Dessert auch Lavendelkekse.

Lorenzo Ferro bringt in seinem Restaurant «Le Bistrot de Lagarde» in Lagarde-d’Apt in der Provence den typischen Duft der Region auf den Dessertteller. Er serviert pochierte Nektarine mit Lavendel und Sabayon auf einem Mürbeteig-Sablé. Dafür gart er entsteinte und halbierte Früchte mit Zucker, Butter und Lavendelblüten bei 170 Grad etwa 20 Minuten im Backofen. Für die Sabayon schlägt er Eigelb und Zucker über dem heißen Wasserbad schaumig und rundet mit Marsala ab.

Angerichtet wird der etwa 5 Zentimeter große Sablé, sprich Butterkeks, in einem tiefen Teller. Darauf legt Ferro eine Nektarinenhälfte, bedeckt das Ganze mit Sabayon und garniert mit Lavendelblüten und Keksbröckchen. In seiner Panna Cotta sorgt ein Lavendelzweig in der gekochten Sahne für das Aroma.

Als Käse-Deko oder gefrorene Blüten zum Zerreiben

Der Koch schätzt am Lavendel die Kraft und gleichzeitige Süße, «wenn er richtig eingesetzt und kombiniert wird». Er sieht das mediterrane Kraut nicht nur in der Patisserie, sondern «auch zu hellem Fleisch wie Geflügel mit einem blumigen Reduzierjus und sogar zu einem lokalen Käse».

Wer auf dem Balkon oder im Garten frischen Lavendel hat, dem empfiehlt Heiko Antoniewicz, ihn portionsweise einzufrieren: Bei Bedarf kann man dann die gefrorenen Blüten und Blätter so zerreiben, dass sie pulverisiert werden.

Literatur:

Aurélie Bastian: «Französisch kochen mit Aurélie», , Südwest Verlag, 176 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-517-10261-0.

Aurélie Bastian: «Bienvenue – Willkommen bei mir», Südwest Verlag, 160 Seiten, 20,00 Euro, ISBN: 978-3-517-09793-0.
«Aromen – Das Kochbuch», Heiko Antoniewicz, DK Verlag Dorling Kindersley, 240 Seiten, 28,00 Euro, ISBN 978-3-8310-4009-4.

Von Heidemarie Pütz, dpa